Der Dienst von David Hathaway, der mit der Philadelphia Gemeinde in Kiew zusammenarbeitet, unterstützt Vertriebene seit dem Beginn des Krieges in der Ostukraine Anfang 2014. Über 20.000 Menschen mussten sterben und über zwei Millionen wurden intern vertrieben. Die Frontlinie ist ungefähr 450 km lang. Der Konflikt in der Ostukraine ist nach seinem Ausbruch in eine Pattsituation übergegangen aber es kommt immer noch regelmäßig zu Beschuss und Scharmützeln mit häufigen Eskalationen der Gewalt. Die Situation bleibt ungelöst.
Mein Name ist Violetta Valerievna. Ich wurde am 26.7.1974 geboren. Zu Beginn des Krieges lebte ich mit meiner Familie in der Stadt Lugansk: meinem Mann, meinem 17-jährigen Sohn, der die Fremdsprachenschule besuchte, und meinem zweieinhalb Jahre jüngeren Sohn.
Am 6. April 2014 wurde das Gebäude des Sicherheitsdienstes der Ukraine, in Lugansk von Separatisten beschlagnahmt. Zu diesem Zeitpunkt waren wir zu Hause und wussten nichts davon, wir hatten nicht einmal einen Verdacht. Der ältere Sohn war in der Schule, der jüngere zu Hause. Erst am Abend erfuhren wir was passiert war. Es wurde gefährlich in der Stadt, doch das Leben ging wie gewohnt weiter.
Am 2.Juni waren alle Absolventen der Schulen und Hochschulen bei ihrem Abschlussball. Alle Restaurants waren voll besetzt. Die Kinder feierten, alles war gut. Plötzlich um vier Uhr morgens, hörten wir Explosionen. Zuerst dachte ich es wäre Donner, doch mein Mann sagte das sind Bomben. Wir rannten auf die Straße, die Erde zitterte. Viele Leute trugen Schlafanzüge oder Morgenmäntel. Es gab Panik. Es war unmöglich herauszufinden in welchem Teil der Stadt die Bomben explodierten. Zu diesem Zeitpunkt waren unsere Kinder noch beim Abschlussball. Alle Eltern waren besorgt und riefen sich gegenseitig an. Es stellt sich heraus, dass die Separatisten die Grenzkontrolleinheit angriffen. Dies war der Beginn des Krieges. Alle Eltern fuhren zum Ball und brachten ihre Kinder nach Hause. Dieser Kampf dauerte zwei Tage. Am Nachmittag war eine Militärmaschine in der Innenstadt und eine Explosion dort.
Wir hatten nicht ganz verstanden was eigentlich geschah und hofften, dass das normale Leben weiter gehen würde. Doch in der Nacht wurde ständig geschossen. Während wir durch die Stadt fuhren sahen wir bewaffnete Männer, Barrikaden und Sandsäcke in den Fenstern der Gebäude.
Eine Informationssperre trat ein, alle ukrainischen Kanäle wurden abgeschaltet, wir erhielten keinerlei Erklärung. Die Stadt war voller Gerüchte. Es wurde gefährlich in der Stadt. Nachts wurden alle Lichter ausgeschaltet. Wir konnten in der Nacht nicht mehr schlafen.
Ich werde nie vergessen, wie mein Mann mich im Juni mit unseren beiden Kindern in den Zug setzte und uns zu meinem Cousin nach Kiew schickte. Der jüngere Sohn hatte ein Lieblingsspielzeug, ein Kaninchen, das wir vergessen hatten mitzunehmen. Mein Mann stand auf dem Bahnsteig, wir waren im Zug und wir konnten die Explosionen um uns herum hören. Alle Menschen telefonierten und weinten. Mein Sohn weinte bis zum Morgen um seinen Vater und sein Kaninchen. Es war schrecklich. Wir blieben zehn Tage bei meinem Cousin in Kiew und kamen dann wieder zurück, da sich alles beruhigt zu haben schien. Aber dies waren meine schlimmsten Erinnerungen.
Unsere Nachbarn hatten einen riesigen Sandhaufen in ihrem Hof, der eines Nachts von mehreren Granaten getroffen wurde, die dank Gott nicht explodierten. Dies war der letzte Strohhalm, der uns dazu brachte, unsere Heimatstadt zu verlassen. Es war am 7. Juli als wir uns ins Auto setzten und nach Shchastya fuhren, das etwa 20 km von Lugansk liegt und zu dieser Zeit von den ukrainischen Streitkräften zurückerobert war. Dort lebten wir im Appartement eines Freundes für 3 Wochen bevor wir dann nach Kiew zum meinem Cousin kamen. Es gab keine Möglichkeit irgendwo anders hinzugehen. Die Lebensumstände dort waren schrecklich. Ich musste ganze Tage mit dem Kind auf der Straße verbringen, wo er dann ab und zu ein kleines Nickerchen auf einer Bank machen musste. Doch ich sagte mir, es ist noch immer besser auf einer Bank in Kiew als unter Bomben in Lugansk.
2015 erzählten uns dann andere Binnenvertriebene von der Philadelphia Gemeinde in Kiew. Wir begannen diese Gemeinde zu besuchen und wurden mit vielen guten Dingen gesegnet. Alles hier ist mit Güte gefüllt. Die Gemeinde leistet eine großartige Arbeit und hilft den Menschen nicht nur materiell sondern auch geistlich.
Meine Name ist Larysa Stepura. Ich wurde am 30.April 1952 in der Stadt Toretsk (ehemals Dzerzhinsk), die in der Donetsk Region liegt, geboren. Mein ganzes Leben wohnte ich hier. Meine Tochter Tatiana studierte an der Universität in Donetsk, heiratete und wir haben ihr eine Wohnung in Gorlovka gekauft. Diese renovierten wir, haben sie eingerichtet und zu einem sehr gemütlichen Platz gemacht. Hier wurde auch ihr Sohn geboren. Als das Kind zwei Jahre alt war bekam Tatiana einen Job als Administratorin im Goodwine-Geschäft. Meine Tochter hatte eine sehr lange Arbeitszeit, deshalb mieteten wir uns eine Wohnung in Donetsk, so konnte ich ihr helfen unseren Enkel großzuziehen. Die Situation der Stadt war äußerst kriminell. Gruppen von Banditen hatten ständig Zusammenstöße.
Nach einiger Zeit kam das Kind in den Kindergarten. Meine Tochter kaufte mir einen kleinen Stand auf dem Markt und so hatte ich ein kleines Geschäft. Der Markt war in der Nähe des Flughafens. Eines Tages im Juni, während wir auf dem Markt arbeiteten, hörten meine Kollegen und ich ein lautes Summen, sahen sehr viele Flugzeuge und hörten sie Raketen abschießen (das waren Wärmefallen). Dann hörten wir die Explosionen, es war sehr beängstigend. Wir haben uns in der Scheune versteckt. Menschen rannten vom Bahnhof weg und schrien, einige seien getötet worden. Dann starteten die Schüsse. Später fanden wir heraus, dass der ganze Metroshop n die Luft gesprengt wurde. Der Flughafen und das nahegelegene Dorf wurden ebenfalls bombardiert.
Für kurze Zeit reisten wir auf die Krim. Auf unserer Rückreise wurde auf den Zug geschossen. Wir lagen auf dem Boden des Zuges der von vielen Kugeln durchbohrt wurde. Zu Hause angekommen bekam das Kind hohes Fieber, 40 Grad. Wir riefen die Ambulanz doch sie sagten uns wegen des Schießens werden sie nicht kommen. So musste ich auf meinen Armen das Kind ins Krankenhaus tragen. Um uns herum fielen ständig Schüsse. Meine Enkel hatte große Angst und weinte ständig. So konnte ich meinen Enkel retten aber ich werde niemals diesen Horror vergessen.
Wir fuhren nach Kiew. Meine Tochter mietete eine kleine Wohnung aber wir hatten noch nicht einmal Geschirr. Es war ja unmöglich für uns auf der Flucht etwas mitzunehmen. Wir wandten uns an ein spezielles Zentrum, wo die Vertriebenen Hilfe fanden. Hier haben wir Menschen getroffen die uns von der Philadelphia Gemeinde erzählten. Mit meinem Enkel kam ich dann hierher. Einen solch warmherzigen Empfang hatte ich nicht erwartet. Das war Anfang 2015.
Zuerst wandten wir uns an die Gemeinde um humanitäre Hilfe zu bekommen und später besuchten wir dann eine Hausgruppe. Im Alter von 64 Jahren begann ich die Bibel zu lesen. Ich war sehr interessiert. Ich wünschte das wäre schon viel früher passiert. Dann besuchte ich die Gottesdienste, traf viele neue Menschen in der Gemeinde und viele Freundschaften begannen. Während dieser ganzen Zeit bis zum „lockdown“ nahm ich an verschiedenen Hilfsprogrammen teil, um Müttern mit Kindern, die sich in einer schwierigen Situation befanden, zu helfen. Wir kochten auch für sie. Wir haben auch an Gottesdiensten teilgenommen. Wenn ich Gott kennenlerne, habe ich jetzt Jemanden, auf den ich mich verlassen kann, Jemanden, mit dem ich mich beraten kann, Jemanden, zu dem ich um Hilfe bitten und beten kann. Nun versuche ich zu evangelisieren und den Menschen von Gott zu erzählen und die gute Nachricht zu bringen.
Mein Name ist Tatiana Ivanovna. Ich komme aus der Stadt Alchesk, in der Lugansk Region. Ich wurde im Mai 1961 geboren. 2013 zog ich nach Lugansk, mietete einen kleinen Pavillon und war im Handel tätig und verkaufte Lebensmittel. Vor Ausbruch des Krieges hatte ich sehr gut gelebt, ich hatte mein eigenes Geschäft.
Im April 2014 begannen die ersten Flugzeuge über das Gebäude der Regionalverwaltung zu fliegen. Rundherum war ein sehr starkes Summen zu hören. Mein Geschäft war nicht sehr weit weg und aus Angst und eventuellem Missverstehen von dem was gerade geschah, wollte ich nur auf den Boden legen und in einem Loch verschwinden. Später erfuhren wir aus den Nachrichten, dass dies die ersten Versuche der Separatisten waren, die Regionalverwaltung zu übernehmen.
Ich zog zurück in meine Heimatstadt Alchevsk, arbeitete aber weiter in Lugansk. Jeden Tag fuhr ich mit dem elktrischen Zug zur Arbeit. Ich musste bis zur Mittagszeit arbeiten denn um 12 Uhr mittags begann der Beschuss. Viele Menschen hatten kein Geld mehr und ich lieh vielen von ihnen Essen. So habe ich bis zum 20. Juni 2014 gearbeitet.
Zu dieser Zeit war mein jüngster Enkel fünf Monate, der älteste ein Jahr und vier Monate alt. Wir hatten nicht vor zu gehen. Wir wohnten im neunten Stock und als ich auf dem Balkon stand sah ich eine Panzerkolonne, die sich von Lugansk nach Debaltseve bewegte. Ich war in Panik, Angst und Schrecken. Etwas später wurde Alchevsk auch von Separatisten gefangen genommen. Anfang Juli gab es kaum noch Lebensmittel in den Geschäften und das fließende Wasser war nicht mehr chloriert. Vor jeder Wohnungstür standen Taschen mit etwas Lebensmittel und Dokumenten mit Anweisungen, so dass im Falle einer Bombardierung schnell flüchten konnten.
Am 24.Juni wurde Devaltsevo bombardiert. Die Züge fuhren nicht mehr. Der Beschuss begann. In der Stadt erschienen plötzlich viele Tscheschenen, die vorher nicht da waren. Die Menschen versuchten irgendwohin zu fliehen aber es gab keine Transportmöglichkeiten. Einer der Busse, die nach Berdyansk fuhren, wurde beschossen. Es gab nur eine Möglichkeit nach Russland zu fliehen aber wir hatten Angst das zu tun. Später stoppte auch dies.
Am 26.Juli, in der Nacht, begann der Beschuss und in der Stadt wurden Kontrollpunkte errichtet. Es wurde unmöglich die Stadt zu verlassen. Ich erhielt einen Anruf und erfuhr, dass Familien mit kleinen Kindern nach Berdyansk gebracht werden. Nach einigen Diskussionen beschlossen wir, dass ich, meine Tochter und unsere Enkelkinder Alchevsk verlassen. Nachdem wir einige Kinder und Dokumente mitgenommen hatten, stiegen wir in den Bus und fuhren los. Unterwegs sahen wir einige beschossene Autos mit offenen Türen. Es wurde uns nicht erlaubt zu telefonieren. Der Bus wurde ständig angehalten und von bewaffneten Männern durchsucht. Es war die Straße der Ewigkeit.
Am 1.September 2014 fuhren wir von Berdyansk nach Kiew. Freunde rieten uns, uns in der Stadt Bila Tserkva niederzulassen. Das taten wir. Dort begann ich die New Life Gemeinde zu besuchen, wo ich beim Zubereiten von Mahlzeiten half. In dieser Gemeinde hörte ich von der Philadelphia Gemeinde und dass diese Gemeinde den Vertriebenen humanitäre Hilfe anbietet. Wir fuhren nach Kiew um dort Hilfe zu erhalten, doch diese Reisen haben uns viel Zeit und Geld gekostet. Wir mussten alles verkaufen, was wir verkaufen konnten. So haben wir überlebt.
Dann half mir der Pastor der New Life Gemeinde in Bila Tserkva einen Job als Administrator in einem Hotel in Kiew zu finden, wo ich fünf Jahre arbeitete. Meine Tochter und Enkelkinder lebten weiter in Bila Tserkva. Die ganze Zeit besuchte ich die Philadelpha Gemeinde in Kiew.